Sebastian Tippe ist ein feministischer Mann, Autor, Pädagoge, Dozent, Blogger. Wir haben ihn gefragt, was er von Muttertag hält.
Sebastian Tippe veröffentlichte 2021 das Sachbuch „Toxische Männlichkeit – Erkennen, reflektieren, verändern“. Er hält Vorträge, gibt Webinare sowie Fortbildungen zum Thema Toxische Männlichkeit, bietet an Schulen geschlechterreflektierende Workshops an und schreibt für pädagogische und psychologische Fachzeitschriften. 2020 war er Mitgründer des Vereins SHESPECT – Unterstützung für Frauen bei Hate Speech und Sexismus e.V. Er bloggt auf www.FeministInProgress.de.
- Herr Tippe, wie begehen Sie als feministischer Mann den Muttertag? Welchen Tipp geben Sie Männern, damit der Tag die richtige Wertschätzung für die (eigene) Frau und/oder Mutter ausdrückt?
Die Wertschätzung für Mütter und Frauen beginnt für mich nicht erst am Muttertag. Sie fängt am 01.01. eines jeden Jahres an und geht bis zum 31.12. eines jeden Jahres. - Brauchen wir im Jahr 2021 noch einen Muttertag? Ist das nicht schon anachronistisch?
Muttertag als Symbol für die enormen Leistungen, die Mütter täglich vollbringen, ist wichtig. Noch wichtiger ist es jedoch, dass Männer das ganze Jahr über die Leistungen von Müttern anerkennen und gleichzeitig selbst Verantwortung für die Care-Arbeit und Haushaltstätigkeiten übernehmen und sich die Aufgaben mit ihrer Partnerin teilen. - Eine berühmte Forderung zum Muttertag lautet „Keine Blumen, sondern Rechte wollen wir“. Bei welchen Rechten sehen Sie Nachholbedarf – sowohl individuell bzw. gesellschaftlich als auch politisch?
Männer müssen gleichermaßen wie ihre Partnerin, die das 24/7 unbezahlt das ganze Jahr über tun, Verantwortung und Arbeiten zu Hause übernehmen. Dazu gehören Tätigkeiten wie die Kindererziehung, Haushaltstätigkeiten wie Putzen, Kochen oder Aufräumen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Begleitung der Hausaufgaben der Kinder, Fahrten der Kinder zu FreundInnen oder zu ihren Hobbies oder beispielsweise alleinige Kinderbetreuung, damit Mütter auch frei haben können, um sich mit FreundInnen zu treffen oder ihrem Hobby nachzugehen – ein Privileg, das sich Väter wie selbstverständlich rausnehmen und Müttern meist verwehrt bleibt. Väter sollten ihren Kindern ein positives Vorbild sein und nicht durch Abwesenheit glänzen. Zudem sollten sie wie ihre Partnerin Elternzeit nehmen.
Auf der strukturellen Ebene benötigen wir unter anderem die Frauenquote, gleiche Bezahlung für Frauen, keine Diskriminierung am Arbeitsplatz, eine Überarbeitung des Steuersystems im Hinblick auf das Ehegattensplitting, das nordische Modell um betroffene Frauen in der Prostitution zu unterstützen, Parität in Parlament und in der Justiz sowie Veränderungen im Rechtssystem, da beispielsweise weniger als 1% der Vergewaltiger für ihre Taten belangt werden.
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